Medienpolitik

Förderentscheidungen? Reform des Sächsischen Privatrundfunkgesetzes? Die Medienpolitik der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM) hat Folgen für die Freien Radios in Sachsen und das Rundfunkkombinat. Hier findet ihr unsere Statements.

Freie Radios in Sachsen: Mit neuem Etikett zu Fördermitteln
Bürgerradios in Sachsen freuen sich über steigende Reichweiten. Nun ist ein seltsamer Konkurrent aufgetaucht, der bislang Dudel-Kommerzradio war. (Taz-Artikel, 30.11.2023)

Mehr hier: https://taz.de/Freie-Radios-in-Sachsen/!5970306/

 

 

Unsere Stellungnahme zum Änderungsentwurf für das Sächsische Privatrundfunkgesetzes (SächsPRG) (15.11.2024)

Nach der Landtagswahl 2019 schrieben die, damals drei, Freien Radios Sachsens die „Hallesche Erklärung“, in der es hieß:

„Sachsen hat gewählt. Die […] Fragmentation zeigt sich im Wahlergebnis deutlicher als je zuvor. So schwierig die Bildung einer Koalition werden wird, so stark sind die Erwartungen, die man an eine künftige sächsische Regierung stellen muss. In Bezug auf Medien wird dies sein, den nichtkommerziellen Rundfunk endlich vollgültig als dritte Säule der Medienlandschaft anzuerkennen und bestmöglich zu unterstützen. Regionen und Generationen dürfen nicht aus dem Diskurs verlorengehen.“

Kurz vor dem Ende der Legislatur liegt nun ein Entwurf für ein Privatrundfunkgesetz vor, der hinter den selbst gestellten Aufgaben aus dem Koalitionsvertrag zurückbleibt. In diesem einigte sich die Koalition, die „Aufgaben und die Gremienstruktur der Sächsische Landesmedienanstalt (SLM) grundsätzlich an[zu]passen“. Die Feststellung „Nicht-kommerzielle Lokal-Medien sind eine wichtige Säule der lokalen Medienvielfalt“ findet keine Übersetzung in den aktuellen Entwurf. Darüber hinaus werden an ein zukunftsweisendes Mediensystem zu stellende Ansprüche nicht erfüllt. 

Der schon 2019 beobachtete Ansehensverlust von Repräsentativer Demokratie und die mangelnde Bereitschaft gesellschaftliche Konflikte zum Besseren auszuhandeln hat sich seitdem eher vertieft. Die Töne der Antidemokrat:innen werden schriller, den Demokrat:innen schwindet angesichts dessen der Mut, Differenzen zwischen den verschiedenen Parteipositionen offen zu diskutieren.

Die politische Fragmentation ist nicht das Einzige, was unser Mediensystem unter Druck bringt. Die Vielzahl der hinzugekommenen Ausspielwege und die Tendenz zur asynchronen Mediennutzung fragmentieren ebenso die Medien und bringen die Geschäftsmodelle privater Rundfunkveranstalter:innen unter Druck. Der Verlust zentraler Bezugspunkte gesellschaftlicher Diskurse und die Möglichkeiten technisch befeuerter Propaganda treiben die Erosion bürgerlicher Öffentlichkeit voran.

Community Media unterliegen den aufgezeigten Zwängen weniger. Über ihren speziellen Zugang stärken sie Medienkompetenz und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit. Die redaktionellen Aushandlungsprozesse und die Rückbindung an eine gemeinsame Charta stärken Bereitschaft und Befähigung zu demokratischen Aushandlungsprozessen. Der gesellschaftliche Wert dieser Rolle für die Demokratie sollte rechtlich, wie finanziell anerkannt werden.

Es ist nicht falsch, formale Probleme eines Gesetzes zu überarbeiten, jedoch ist dies in der gegenwärtigen Situation noch nicht ausreichend. Es gibt gute Gründe neben den großen Anstalten des ÖR, Privaten Rundfunk und Community Media (s.u.) zu erhalten. Der Gesetzentwurf gibt weder einen Anhaltspunkt, wie die wirtschaftliche Krise privater Medien zu lösen wäre, noch würdigt er das diskursive und partizipative Potential von Community Media. Der Entwurf stellt keine Kriterien bereit, nach denen sich das demokratiefördernde Potential von Nicht-Kommerziellen Lokal-Medien bewerten ließe.

Der vorliegende Entwurf zur Änderung des SächsPRG bleibt hinter dem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zurück, „die sächsische Medienlandschaft zukunftsfest [zu] machen“.

Hintergrund: Struktur und Bedeutung von Community Media

Community Media tragen ein erhebliches Potential zum Community Building in sich. Sie sind Austragungs- und Umschlagplätze demokratischer Selbstverständigungsprozesse. Man kann sie schwer mit herkömmlichen Massenmedien vergleichen. Das liegt auch an den eigenen Versuchen der Auflösung der Differenz zwischen Sender und Empfänger. Gegen neue soziale Medien setzen sich Freie Radios ab, indem sie weiter einen Schwerpunkt auf redaktionelle Arbeit, Inklusion, Berücksichtigung von Minderheiten und lineare Verbreitung sowie face to face Kommunikation setzen. Hier passiert das, was Demokratie ausmacht. Hier kommen Menschen mit unterschiedlichen Positionen miteinander ins Gespräch. Die Freien Radios verfügen über eine gute Anbindung an Politik, Kultur und zivilgesellschaftliche Akteure ihrer jeweiligen Städte und Regionen. Sie haben sich in knapp drei Jahrzehnten eine Stammhörer:innenschaft erarbeitet. Die Radios bündeln Energien und Erfahrungen, die geeignet sind, neue Akteur:innen und Regionen zu integrieren.

Der Begriff nichtkommerzieller Lokalfunk spiegelt nur unzureichend die partizipativen Potentiale. Die diesbezügliche Indifferenz führte im letzten Jahr zu einer Medienratsentscheidung, einen ehemals privatwirtschaftlichen Akteur mit Mitteln zu fördern, die für die Förderung lokaljournalistischer Vielfalt vorgesehen waren, nur weil das Radio keine Werbeeinnahmen mehr hat.

Der Sächsische Landesverband Freier Radios e.V.

Der Sächsischer Landesverband Freier Radios e.V. ist der Interessensverband der Freien Radios in Sachsen sowie der angeschlossenen Kultur- und Demokratie-Initiativen. Er vertritt damit über 500 ehrenamtliche Redakteurinnen und Redakteure im Freistaat. Der SLFR e.V. betreibt das Community Radio „Rundfunkkombinat Sachsen“, das landesweit auf DAB+ zu empfangen ist.

Der Verband bekennt sich zur Charta des Bundesverbandes Freier Radios (BFR).

Link-Liste für weitere Informationen:

 

 

Eine tolle Förderung und eine abwegige EntscheidungStellungnahme zu den (Förder-) entscheidungen der Sächsischen Landesmedienanstalt (11. August 2023)

 

Damit können wir arbeiten! Mitte Juli 2023 hat das Rundfunk-Kombinat die lang ersehnten Bescheide der Sächsischen Landesmedienanstalt erhalten und somit die Gewissheit, dass die Sende- und Leitungskosten von der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM) gefördert werden. Auch drei Teilzeit-Stellen für die Koordination des Programms und Workshops (ab Oktober 2023) werden finanziert.

Das freut uns natürlich sehr! Damit können wir den Aufbau lokaler Redaktionen in ganz Sachsen voller Motivation fortsetzen! Bisher haben bereits bei einigen Initiativen Workshops für verschiedene Radioformate stattgefunden und in den nächsten Monaten wollen wir die Zusammenarbeit mit den Netzwerken, Vereinen und Einzelpersonen aus ganz Sachsen verstetigen, damit viele interessante Radiosendungen entstehen.

Auch du oder dein Verein/deine Gruppe können Teil des Rundfunk-Kombinats werden! Ob es ein Podcast mit der besten Freundin, eine experimentelle Klangkunst-Sendung, ein einzigartiges DJ-Set oder eine Lokalnachrichten-Sendung aus deinem Landkreis wird – das Rundfunk-Kombinat soll eigene Radioproduktion mit deinen Inhalten ermöglichen.

Mit den finanziellen Zusagen rückt der Sendestart in greifbare Nähe. Wir arbeiten an einem Sendestart zum 1. September 2023, werden das Datum aber hier bekannt geben, sobald alle technischen und programmatischen Fragen abgestimmt sind.

Wir können aber nicht verschweigen, dass sich in die Freude über die endlich eingetretene Planungsicherheit medienpolitische Sorgen mischen. Denn neben dem Rundfunk-Kombinat und den etablierten Freien Radios in Sachsen (coloRadio, Radio Blau, Radio T und Radio Zett) hat auch das bis vor kurzem kommerzielle Radio WSW ohne inhaltliche oder strukturelle Änderungen eine Lizenzumwandlung in ein Nichtkommerzielles Lokalradio (NKL) und zudem eine finanzielle Förderung erhalten.

Wir sehen das als eine riskante oder zumindest undurchdachte Entscheidung der Sächsischen Landesmedienanstalt an. Denn was Freie Radios auszeichnet, ist nicht nur ihre Werbefreiheit, sondern die ehrenamtliche Partizipation vieler Menschen, die Radio machen, um ihrem bürgerschaftlichem Engagement, ihrem Wissen zu bestimmten Themen, ihren musikalischen Vorlieben oder einfach dem Spaß am redaktionellen Tun Ausdruck zu verleihen. Freie Radios sind in der Regel mit einer Vielzahl von Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft, mit Vereinen, kulturellen Institutionen, sozialen Einrichtungen etc. verbunden und diese Verbindungen haben sich über Jahre oder Jahrzehnte aufgebaut.

Dahinter steckt die Arbeit vieler Ehrenamtlicher, die besonders dann gut funktioniert, wenn sie koordiniert wird. Und hier kommen wir zum zweiten Kritikpunkt an der Förderentscheidung der Sächsischen Landesmedienanstalt. Denn sowohl bei Radio Blau, als auch bei coloRadio wurden Förderungen abgelehnt, die die Koordination des Sendebetriebs betreffen. Konkret bedeutet das, dass nicht klar ist, wie der Sendebetrieb ab Oktober sowohl technisch als auch konzeptionell koordiniert werden soll. Das Rundfunk-Kombinat als gemeinsames Projekt der Freien Radios in Sachsen zeigt sich hier natürlich solidarisch. Wir möchten daher auf die Pressemitteilung des Sächsischen Landesverbands Freier Radios zum Thema der Stellenkürzungen verweisen.